Eine Validierungsstudie der Universität Mannheim Heidelberg bestätigt, dass VASCASSIST 2 den aortalen Blutdruck mindestens so genau berechnet wie die herkömmlichen Untersuchungstechniken — und das sogar bei Patienten mit Diabetes. Im direkten Vergleich mit der Applanationstonometrie erleichtert die automatisierte, oszillometrische Messung des VASCASSIST 2 die Anwendung erheblich: Sie erfordert keine aufwendige Bedienerschulung. Zudem können Ärzte die Zentraldruckmessung ausdrücklich auch bei Patienten mit Arrhythmien zuverlässig anwenden — ein Novum gegenüber konventionellen Messverfahren.
Zentral ist das neue brachial
Der brachiale Blutdruck wird seit über einem Jahrhundert in der täglichen medizinischen Routine gemessen. Hunderte von wegweisenden Veröffentlichungen mit Millionen von Patienten belegen die Verlässlichkeit dieser Technik. In den letzten Jahren wuchs jedoch das Interesse am zentralen Blutdruck (cBP) als wichtiges neues Instrument für die Diagnose und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Hinweise mehren sich, dass der zentrale Blutdruck nicht nur stärker mit Markern für hypertensive Endorganschäden wie Karotis-Atherosklerose und linksventrikulärer Hypertrophie zusammenhängt. Es zeichnet sich auch ab, dass der Zentraldruck die kardiovaskulären Folgen gut bzw. besser als die Brachialdruckmessung vorhersagt. Zudem stellten Mediziner eine bedeutsame Auffälligkeit im Hinblick auf die Wirksamkeit verschiedener Klassen von Antihypertensiva fest: Je nach Stoffgruppe der verordneten Blutdruckmedikation lassen sich unterschiedliche Wirkungen auf den zentralen Blutdruck feststellen — bei Brachialdruckmessungen wiederum zeigen sich keine Differenzen im Hinblick auf den therapeutischen Effekt der Blutdrucksenker.
Als (invasiver) Goldstandard für die Messung des Zentraldrucks gilt die Bestimmung des Aortenwurzeldrucks bei der Linksherzkatheteruntersuchung. Aufgrund ihres invasiven Charakters ist diese Technik jedoch für Folgemessungen im klinischen Alltag naheliegenderweise nicht geeignet. Daher entwickelte man in den letzten Jahren mehrere nichtinvasive Verfahren zur Ermittlung des zentralen Blutdrucks. Zumeist basieren sie auf der peripheren Pulswellenanalyse (PWA) mittels Applanationstonometrie. Im Allgemeinen funktioniert dies so, dass man eine Rohaufzeichnung der Pulswelle auf den invasiv oder nichtinvasiv gemessenen Blutdruck kalibriert. Die zentralen Werte werden in der Folge aus der peripheren Druckwellenform geschätzt. Das in den meisten der bisher veröffentlichten Studien benutzte Gerät ist der SphygmoCor. Die damit durchgeführte Untersuchung wird bisher als klinische Standardmethode und Mittel der Wahl angesehen.
Zentraldruckmessungen mittels Applanationstonometrie unterliegen starken Qualitätsschwankungen
Die für die Ermittlung des aortalen Blutdrucks meist eingesetzte und weit verbreitete Applanationstonometrie stößt jedoch insbesondere im Hinblick auf die Genauigkeit der ermittelten Werte an ihre Grenzen: Wie belastbar und stimmig das ist, was gemessen wird, hängt zum einen von der korrekten Kalibrierung ab. Hierbei stellen die ungenauen Manschettenmessungen, die man für die Kalibrierung der Kurvenform verwendet, einen markanten Schwachpunkt dar. Auch die unbedingt notwendige, extensive Schulung und die individuelle Geschicklichkeit des jeweiligen Bedieners führen im Hinblick auf die korrekte Signalerfassung zu einer kritischen und nicht zu unterschätzenden Störanfälligkeit und sind eine mögliche Fehlerquelle. Die Qualität der Untersuchung und die damit verbundene Zuverlässigkeit und Nachvollziehbarkeit der erfassten Daten sind somit bedienerabhängigen Schwankungen unterworfen. Zusammengefasst heißt das: Mit der Kalibrierung einerseits und der diagnostischen Kompetenz des Bedieners andererseits steht und fällt die Sicherheit der Diagnose. Ein unbefriedigender Umstand gerade vor dem Hintergrund der immens wichtigen Frühprävention, die die Gefahr kardiovaskulärer Ereignisse eigentlich zuverlässig und möglichst eindeutig erkennen und damit Komplikationen verhindern soll. Die Suche nach einer verlässlicheren Alternative zu den herkömmlichen Verfahren liegt also nahe.
SphygmoCor vs. VASCASSIST 2
Um die genannten Unsicherheitsfaktoren bei der Messung des zentralen Blutdrucks im Rahmen der der arteriellen Applanationstonometriezu überwinden, verfolgt die Universität Mannheim Heidelberg einen neuen Ansatz und validierte unter Leitung von PD Dr. Frederik Trinkmann im Rahmen der MEASURE-cBP-Studie den alternativen Einsatz von VASCASSIST 2. Bekanntermaßen führt das Gerät eine radiale, oszillometrische Pulswellenanalyse (PWA) durch und basiert auf einer algorithmischen Verfeinerung des Westerhof-Multikompartment-Modells² des menschlichen Arterienbaums.
Es wurden zwei Studien durchgeführt: Die Intention von MEASURE-cBP 1 war, die Genauigkeit von VASCASSIST 2 prospektiv im direkten Vergleich mit invasiven Referenzwerten zu bewerten. MEASURE-cBP 2 hatte das Ziel, VASCASSIST 2 mit von SphygmoCor abgeleiteten, nicht-invasiven Referenzwerten in einem Kollektiv zu vergleichen, das realen klinischen Bedingungen ähnelt.
Wenige Ausschlusskriterien: VASCASSIST 2 ist fast universal einsetzbar
Ein optimales Verfahren zur Ermittlung des aortalen Blutdrucks erfordert nicht nur eine hohe Genauigkeit. Vor allem sollte es robust im Hinblick auf Fehleranfälligkeit, bei einer Vielzahl von Patienten anwendbar sein und nicht zuletzt auch auf einer transparenten Methodik beruhen. Daher wurden für die vorliegenden Studien so viele Teilnehmer/innen wie möglich zugelassen, und es galten nur minimale a priori-Ausschlusskriterien.
Ein niedriger peripherer Blutdruck, Begleiterkrankungen wie Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, arterielle Hypertonie sowie die Verwendung von Betablockern, RAAS‑I, und Diuretika waren mit größerer Wahrscheinlichkeit bei jenen Probanden vorhanden, die nicht in die endgültige Analyse von MEASURE-cBP 2 einbezogen wurden. Patienten, die von MEASURE-cBP 1 ausgeschlossen wurden, wiesen keine Unterschiede bei den Komorbiditäten auf, insbesondere Diabetes und Herzrhythmusstörungen unterschieden sich nicht. Jedoch war bei Diabetikern die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie eine Verzerrung der Messfehler im Vergleich zu nicht-diabetischen Patienten aufwiesen. Probanden, die von MEASURE-cBP 2 ausgeschlossen wurden, wiesen zum Zeitpunkt der Untersuchung zudem signifikant häufiger Herzrhythmusstörungen auf. Bei vielen der früheren Studien, bei denen zur Validierung nichtinvasiver Geräte der zentrale Blutdruck ermittelt wurde, schloss man Patienten mit Diabetes oder signifikanten Herzrhythmusstörungen von vornherein aus. Dies könnte zu einer zu optimistischen Einschätzung der Genauigkeit in diesen Studien geführt haben.
Im Gegensatz dazu bezog man genau diese Untergruppen in den beiden Validierungsstudien der Universität Mannheim Heidelberg ausdrücklich mit ein, um die Gegebenheiten der täglichen klinischen Versorgung realistisch abzubilden. Es ist bekannt, dass Herzrhythmusstörungen die Pulswellenerfassung beeinflussen, während Diabetes das Ausmaß und die Verteilung der altersbedingten Arterienversteifung beeinflussen kann. Daher wurde ein diabetesspezifischer Ansatz entwickelt, der die Genauigkeit auf das Niveau einer nicht-diabetischen Population verbessert.
Nach Vorliegen aller Ergebnisse erwies SphygmoCor sich im Vergleich zu VASCASSIST 2 als Gerät mit weniger robuster Technik: Bei 86 % der Probanden, die von MEASURE-cBP 2 ausgeschlossen wurden, geschah dies aufgrund eines SphygmoCor-Qualitätsindex‘ unterhalb des empfohlenen Schwellenwerts von 0,8 — das heißt satte 20 % aller eigentlich für die Messung vorgesehenen Probanden. Im Gegensatz dazu wurden nur zwei Patienten aufgrund ungültiger VASCASSIST 2‑Messungen ausgeschlossen. Beide waren stark übergewichtig. Obwohl die Manschettengröße in Abhängigkeit des Armumfangs gewählt wurde, gelten die von konventionellen oszillometrischen Messungen bekannten Probleme auch in dieser Konstellation. Anzumerken ist, dass beide Patienten gleichzeitig einen niedrigen SphygmoCor-Qualitätsindex hatten, was ebenfalls zum Ausschluss aus der Studie geführt hätte.
Das Fazit: Im klinischen Alltag ist VASCASSIST 2 eine stabile, unkomplizierte und vielseitige Alternative
Beide Studien erbrachten vielversprechende Ergebnisse im Hinblick auf den Vergleich zwischen VASCASSIST 2 und etablierten, invasiven bzw. nicht-invasiven Referenztechniken: VASCASSIST 2 zeigte sich als rundum verlässliches Messgerät und robust gegenüber mehreren Faktoren, von denen bekannt ist, dass sie die nichtinvasive Bestimmung des zentralen Blutdrucks mittels Applanationstonometrie entweder negativ beeinflussen oder verhindern. Die große Zahl der untersuchten Patienten und die Heterogenität der verschiedenen Patientengruppen ermöglichte es, eine umfassende Analyse von Untergruppen und Faktoren durchzuführen, die sich möglicherweise auf die Messgenauigkeit auswirken. Die Verlässlichkeit und Robustheit des VASCASSIST 2‑Messverfahrens stellen vor dem Hintergrund der üblicherweise angetroffenen Vielzahl an unterschiedlichen Patientengruppen mit jeweils anderen Vorbedingungen einen wichtigen Vorteil für den Einsatz im realen Klinikalltag dar.
Literaturhinweise:
1. DOI: 10.1093/ajh/hpaa174