War­um Umwe­ge gehen, wenn man auch den direk­ten Weg neh­men kann?

Wie ein Modell aus den sech­zi­ger Jah­ren uns gehol­fen hat, die her­kömm­li­che Gefäß­dia­gnos­tik zu revolutionieren. 

Arte­ri­en direkt messen

Die Mis­si­on

Das dia­gnos­ti­sche Man­ko der alt­her­ge­brach­ten und unge­nau­en Arte­ri­en­dia­gnos­tik hat uns ange­spornt, etwas Bes­se­res zu erfin­den. Wir ver­lie­ßen aus­ge­tre­te­ne Pfa­de und ent­wi­ckel­ten eine völ­lig neue und weg­wei­send ande­re Mess­me­tho­de — mit dem Poten­ti­al, die her­kömm­li­che Gefäß­dia­gnos­tik zu revolutionieren.

Kar­dio­vas­ku­lä­re Dia­gnos­tik in der ‘Old School’-Variante sieht im Ergeb­nis so aus: Es hapert an der Prä­zi­si­on der Mess­wer­te, die dadurch wenig stich­hal­tig sind. Logi­scher­wei­se sind dann auch die ermit­tel­ten Daten für die eigent­lich so wich­ti­ge Früh­prä­ven­ti­on von Herz-und Gefäß­er­kran­kun­gen nur sehr ein­ge­schränkt brauchbar.

Die­ser gra­vie­ren­de Man­gel der tra­di­tio­nel­len, auf Behelfs­pa­ra­me­tern basie­ren­den Gefäß­dia­gnos­tik gab den Anstoß für unse­re Mis­si­on – die Ent­wick­lung eines völ­lig neu­ar­ti­gen Mess­ver­fah­rens mit zuvor unbe­kann­ter Präzisionstiefe.

Die dahin­ter­ste­hen­de, revo­lu­tio­nä­re Idee: Tat­säch­li­che Arte­ri­en­baum­ei­gen­schaf­ten jedes belie­bi­gen Men­schen ganz ohne Ein­grif­fe in den Kör­per, aber den­noch ‚direkt‘ in einem indi­vi­dua­li­sier­ten Simu­la­ti­ons­mo­dell ables­bar zu machen.

Das ‚Urmo­dell‘ von Abra­ham Noor­der­graaf und Nico­laas Westerhof

Die Grund­la­ge aller fol­gen­den Schrit­te hin zur Ent­wick­lung eines neu­en Mess­ver­fah­rens der Gefäß­dia­gnos­tik war die Arbeit mit einem Modell. Genau­er gesagt muss­ten wir uns auf ein kon­kre­tes und bereits exis­tie­ren­des Simu­la­ti­ons­mo­dell fest­le­gen. Das ent­schei­den­de Kri­te­ri­um für die Aus­wahl: Es muss­te sich als Basis für ein modi­fi­zier­tes Arte­ri­en­baum­mo­dell eig­nen, das sich auf jeden belie­bi­gen Men­schen über­tra­gen lässt. Inmit­ten der Fül­le von Model­len, die auf einer Ana­lo­gie zwi­schen dem elek­tri­schen Strom­kreis­lauf und dem Blut­kreis­lauf beru­hen, fiel unse­re Wahl auf das bereits 1969 an der Uni­ver­si­tät von Penn­syl­va­nia ver­öf­fent­lich­te Modell von Abra­ham Noor­der­graaf und Nico­laas Wes­ter­hof. Die Stär­ke die­ses spe­zi­el­len Modells liegt unter ande­rem dar­in, dass es gut doku­men­tiert und leicht nach­voll­zieh­bar ist — so bil­de­te es die idea­le Basis für unse­re Weiterentwicklung.

Ent­schei­den­de Korrekturen

Das ursprüng­li­che Modell war müh­sam von Hand ver­drah­tet wor­den und wies im Hin­blick auf die Wie­der­ga­be des mensch­li­chen Arte­ri­en­baums eine gan­ze Rei­he von Ver­ein­fa­chun­gen auf. Ins­be­son­de­re waren ein­zel­ne Arte­ri­en­seg­men­te (Wind­kes­sel­ele­men­te) zu grö­ße­ren Ein­hei­ten zusam­men­ge­fasst wor­den. In unse­ren Simu­la­tio­nen ent­deck­ten wir, dass dies zu einer ver­fälsch­ten Wie­der­ga­be der tat­säch­li­chen Strö­mungs­ei­gen­schaf­ten in den Arte­ri­en führ­te. Also lös­ten wir im vir­tu­el­len Modell­nach­bau die­se Ver­ein­fa­chun­gen mit­hil­fe einer spe­zi­el­len Soft­ware auf und gelang­ten so zu einem deut­lich ver­fei­ner­ten, kom­ple­xe­ren und dadurch rea­lis­ti­schen Abbild des Arteriensystems.

Die Ent­ste­hung des Gefäß-Avatars

Zu Anschau­ungs­zwe­cken konn­ten wir typi­sche Puls­kur­ven­for­men im vir­tu­el­len Arte­ri­en­mo­dell repro­du­zie­ren, zum Bei­spiel durch die Simu­la­ti­on auf ‚eng’ oder ‚weit’ gestell­ter Gefä­ße. In einem nächs­ten Schritt leg­ten wir ins­ge­samt acht Sys­tem­pa­ra­me­ter fest. Sie die­nen dazu, nahe­zu alle im Leben rea­ler Men­schen vor­kom­men­den Puls­kur­ven­for­men nach­zu­bil­den. Die­se Para­me­ter basie­ren auf einer ver­nünf­ti­gen (also nicht bis zum St. Nim­mer­leins­tag gehen­den) Simu­la­ti­ons­dau­er bei gleich­zei­tig hoher Simu­la­ti­ons­qua­li­tät. Zudem sind sie genau jene Para­me­ter, die letzt­lich die tat­säch­li­chen arte­ri­el­len Kreis­lauf­ei­gen­schaf­ten beschrei­ben, und somit unver­zicht­bar. Dadurch sind sie auch von hohem Inter­es­se für die kli­ni­sche Anwendung.

Der abschlie­ßen­de Schritt war die Ent­wick­lung einer Rechen­vor­schrift, die unse­re acht Modell­pa­ra­me­ter so anpass­te, dass wir am Ende das Abbild des arte­ri­el­len Kreis­lauf­sys­tems einer rea­len Per­son erhiel­ten. Der Daten-‘Output’ sieht im Ergeb­nis so aus: Der opti­mier­te Modell­pa­ra­me­ter­satz sowie die erreich­te Simu­la­ti­ons­qua­li­tät sind über die Soft­ware unmiss­ver­ständ­lich in Pro­zent­zah­len ables­bar. In ‚schlecht‘ simu­lier­ten Fäl­len erreicht die Qua­li­tät eine Genau­ig­keit von 97%, häu­fig 99,5%, aber durch­aus auch 99,9%. Bei 100% läge eine voll­kom­me­ne Über­ein­stim­mung von Simu­la­ti­on und Rea­li­tät vor.

Vom hand­ver­drah­te­ten Modell zur soft­ware­si­mu­lier­ten Ver­si­on: Die Modell­ver­fei­ne­rung führt zu rea­lis­ti­schen Pulskurvenformen 

Der Wan­del vom ursprüng­li­chen Wes­ter­hof-Gefäß­mo­dell zum ver­fei­ner­ten Gefäß-Avatar

Das Modell in Aktion

Wenn die Mes­sung eines Pati­en­ten mit VASCASSIST nach etwa zehn bis fünf­zehn Minu­ten been­det ist, kommt nach Abschluss der ins­ge­samt drei Berech­nungs­stu­fen des zugrun­de­lie­gen­den Algo­rith­mus der ‘Moment der Wahrheit’:

Die indi­vi­du­el­len Gefäß­da­ten des Pati­en­ten und damit auch die spe­zi­fi­schen phy­si­ka­li­schen Wand­ei­gen­schaf­ten sind auf Basis des wäh­rend der Berech­nung erstell­ten Arte­ri­en­baum­mo­dells nun auf einen Blick ables­bar. Und zwar in genau der­sel­ben Detail­tie­fe, als hät­te man direkt in die Arte­ri­en geblickt: Über eine ange­schlos­se­ne Soft­ware las­sen sich die auf­ge­zeich­ne­ten Puls­wel­len auf einen Desk­top oder ein Note­book über­tra­gen und visua­li­sie­ren. Dort sind sie bis ins Detail ana­ly­sier­bar. Schon frü­hes­te Gefäß­ver­än­de­run­gen las­sen sich auf­spü­ren — durch idea­ler­wei­se schnell ein­set­zen­de Inter­ven­tio­nen kann man in  vie­len Fäl­len erns­te Kom­pli­ka­tio­nen ver­mei­den. Vie­le Herz-und Gefäß­er­kran­kun­gen ‘ver­ra­ten’ sich wäh­rend der soft­ware­ge­stütz­ten Visua­li­sie­rung über mar­kan­te Abwei­chun­gen gegen­über der ’nor­ma­len’, also gesun­den, Pulskurvenform.

Von der Modell­in­di­vi­dua­li­sie­rung zu den ver­schie­de­nen Pulskurvenformen 

Bei­spiel-Berech­nung des Arte­ri­en­mo­dells eines 65-Jährigen